Massenentlassungsrichtlinie und Betriebsbegriff

Der Begriff des Betriebes im Sinne der Richtlinie 98/59/EG über Massenentlassungen ist ein unionsrechtlicher Begriff und kann nicht anhand der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bestimmt werden. Er ist in der Unionsrechtsordnung autonom und einheitlich auszulegen. Besteht ein Unternehmen aus mehreren Einheiten, so bezieht sich der Betriebsbegriff auf die Einheit, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgaben zugewiesen sind. Die Wendung „mindestens 20 Arbeitnehmer in dem betreffenden Betrieb“ ist im Einklang mit dem Betriebsbegriff der Richtlinie dahingehend auszulegen, dass hinsichtlich der Schwellenwerte die Entlassungen in jedem einzelnen Betrieb für sich gesehen zu berücksichtigen sind.

EuGH, Urt. v. 30.04.2015 – Rs C-80/14

Klageverzicht im Aufhebungsvertrag

Ein Klageverzicht in einem Aufhebungsvertrag, der nach einer Kündigungsandrohung des Arbeitgebers geschlossen wird, benachteiligt den Arbeitnehmer nicht unangemessen, wenn ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch einer Kündigung ernsthaft in Erwägung ziehen durfte.

BAG, Urt. v. 12.03.2015 – 6 AZR 82/14

Kündigung bei häufigen Kurzerkrankungen und betriebliches Eingliederungsmanagement

Es ist Sache des Arbeitgebers, die Initiative zur Durchführung eines gesetzlich gebotenen betrieblichen Eingliederungsmanagements (bEM) zu ergreifen. Dazu gehört, dass er den Arbeitnehmer auf die Ziele des bEM sowie Art und Umfang der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinweist. Hat der Arbeitgeber die gebotene Initiative nicht ergriffen, muss er zur Darlegung der Verhältnismäßigkeit einer auf krankheitsbedingte Fehlzeiten gestützten Kündigung nicht nur die objektive Nutzlosigkeit arbeitsplatzbezogener Maßnahmen i.S.v. § 1 Abs. 1 S. 2 KSchG aufzeigen. Er muss vielmehr auch dartun, dass künftige Fehlzeiten ebenso wenig durch gesetzlich vorgesehene Hilfen oder Leistungen der Rehabilitationsträger in relevantem Umfang hätten vermieden werden können.

BAG, Urt. v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13

Kündigung zum „nächstzulässigen Termin“

Eine Kündigung „zum nächstzulässigen Termin“ oder „nächstmöglichen Zeitpunkt“ ist typischerweise dahin zu verstehen, dass der Kündigende die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu dem Zeitpunkt erreichen will, der sich bei Anwendung der einschlägigen gesetzlichen, tarifvertraglichen und/oder vertraglichen Regelungen als rechtlich frühestmöglicher Beendigungstermin ergibt.

BAG, Urt. v. 10.04.2014 – 2 AZR 647/13

Fristlose Kündigung wegen Drohung

1. Droht der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber nachteilige Folgen mit dem Ziel an, umstrittene eigene Forderungen durchzusetzen, kann darin – je nach den Umständen des Einzelfalls – eine erhebliche, die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigende Verletzung seiner Pflicht liegen, auf berechtigte Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen.

2. Ein Arbeitnehmer handelt nicht rechtswidrig, wenn er sich bei zweifelhafter Rechtslage dem Arbeitgeber gegenüber auf einen objektiv vertretbaren Rechtsstandpunkt stellt, um diesen zum Einlenken in einem Kündigungsschutzprozess zu bewegen. Die Ankündigung, einen Schriftsatz bestimmten Inhalts bei Gericht einzureichen, um den Abschluss eines Vergleichs zu erreichen, ist allenfalls dann widerrechtlich, wenn in dem Schriftsatz bewusst oder leichtfertig falsche Tatsachenbehauptungen aufgestellt werden oder der darin eingenommene rechtliche Standpunkt gänzlich unvertretbar ist.

3. Ein Arbeitnehmer darf sich nicht ohne Einverständnis des Arbeitgebers diesem gehörende betriebliche Unterlagen aneignen oder entsprechende Schriftstücke und/oder Daten für betriebsfremde Zwecke vervielfältigen. Ob eine rechtswidrige und schuldhafte Zuwiderhandlung gegen diese Vorgabe einen Grund zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses bildet, hängt insbesondere von der Motivation des Arbeitnehmers und möglichen nachteiligen Folgen für den Arbeitgeber ab.

BAG, Urteil vom 08.05.2014, 2 AZR 249/13